Sieben Fragen: EIN Standard-Sendungslabel für KEP

Interview mit Andreas Schumann (BdKEP)

Die Kurier-, Express- und Postdienstleister, kurz KEP, befinden sich in einer Gezeitenwende. Die zunehmende Digitalisierung in der (Post-)Logistik erfordert ein Umdenken. Auf vielen Gebieten besteht erheblicher Nachholbedarf. Ein wichtiger, oft aber in der strategischen Planung vernachlässigter Bereich ist das Erfordernis eines standardisierten Paket- und Postlabels. Dabei haben sich durch die Initiative der Europäischen Union und die immer dichter werdenden Verknüpfungen innerhalb der KEP-Branche Möglichkeiten eröffnet, dieses Thema zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen. Derzeit steht ein Pilotprojekt zur Integration eines Versandlabels auf Basis des GS-1 Standards an – ein riesiger Fortschritt in puncto unternehmensübergreifender Postlogistik abseits der Marktriesen. Mit dabei ist Andreas Schumann, seines Zeichens Vorsitzender des BdKEP, des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste e.V.

Herr Schumann, welches grundlegende Potential könnte durch die Standardisierung von Labels für die Paketlogistiker nutzbar werden?

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(Quelle: bdkep.de)

Hier spielen verschiedene Aspekte hinein. Zuallererst natürlich der derzeit hakelige Übergang von Sendungen zwischen den einzelnen Logistikern. Da jeder Paketdienst derzeit sein eigenes geschlossenes System pflegt, muss enormer Aufwand betrieben werden, um eine Paketsendung zwischen den einzelnen Anbietern zu transferieren. Dies ist jedoch notwendig, da gerade die regionalen und lokalen KEP-Unternehmen ansonsten keine Möglichkeit hätten, überregionale Produkte anzubieten. Weiterhin wird die Sendung als solche transparenter. Im Falle einer Übergabe von selbst abgeholten Sendungen an einen großen Carrier werden, bedingt durch die Überführung von einem Standard in einen anderen, müssen aufwendige Konvertierungen vorgenommen werden. Dadurch sind die Initialkosten für jeden Carrier beträchtlich und neue Carrier können nur umständlich integriert werden. Das Fehlerrisiko stellt sich so bei jedem Carrier neu.

Hinzu kommen noch die Verknüpfungsmöglichkeiten mit den eigenen B2B Kunden in Industrie und Handel. Diese haben schon standardisierte GS1-Kennzeichnungen mit viel Erfolg eingeführt und können so nun ihre Produktions- und Lieferkette gut abbilden. Daher werden die Wirtschaftsunternehmen in Zukunft wohl eher mit den KEP-Anbietern zusammenarbeiten, die auch standardisierte Label-Daten verwenden. Besonderer Druck kommt hierbei aus dem Onlinehandel – die großen Marktplätze wie Amazon, Alibaba, Zalando oder ebay haben ein standardisiertes Nummernsystem eingeführt, das sie nun auch im Logistikbereich einsetzen wollen.

Daher sind wir in Zusammenarbeit mit einigen regionalen Postunternehmen, dem Systembetreiber GS-1 Germany, fnsystems und PLT Software gerade dabei einen offenen Labelstandard für die eindeutige Erfassung von Sendungen umzusetzen, der eben genau die angesprochenen Probleme aufgreift und löst.

Marktführer DHL hat eine standardisierte Post-Codierung auf dem Label – warum nicht einfach diese auch für die KEP anwenden?

Dann binden wir uns an einen Standard, der vom aktuellen Marktführer vorgegeben und nicht offen zugänglich sondern vom Weltpostverband UPU dominiert ist. Wenn sich die Carrier auf einen offenen Standard einlassen, dann würde das funktionieren. Die DHL hat ihre Systeme über alle Carrier gesehen am weitesten in Richtung offener Standards entwickelt. Insofern ist es vielleicht gar nicht so abwegig, dass wir in absehbarer Zukunft auf den gleichen Standards wie DHL zurückgreifen.

Aber die privaten Briefdienste außerhalb der DHL haben doch mit dem UPOC einen Standard geschaffen, der bei ihnen relativ verbreitet ist. Warum den GS-1 Standard und nicht den UPOC?

Der UPOC-Standard ist wirklich eine herausragende Entwicklung. Er wurde geschaffen, um den Sendungsaustausch innerhalb der alternativen Briefdienste zu lösen. Dabei können zusätzlich zur Sendung auch eine Vielzahl von Informationen codiert und dadurch übertragen werden. Aber eine Krux hat der UPOC, die Schnittstellen zu Industrie und Handel und anderen Marktteilnehmern ist nicht etabliert. Anders ist das beim GS1 Standard. Der Handel und die angeschlossenen Lieferanten arbeiten auf Basis von GS1 Standards wie der GTIN - Artikelnummern und auch schon bei der Sendungsnummer SSCC (früher als NVE benannt). In weiten Teilen des Handels gibt es also schlicht kaum mehr eine Möglichkeit der Marktdurchdringung mit dem UPOC. Daher unser Ansatz mit GS-1 SSCC. Trotzdem kann  der UPOC interne auch weiterhin verwendet werden. Sofern es Schnittstellen zum Handel gibt, müsste er allerdings dann auf eine SSCC von GS1 referenziert und für die Datenaustauschformate eine Übersetzungsmatrix hinterlegt werden.

Der Grundstandard GS-1 SSCC beschreibt eine eindeutige Zuordnung des jeweiligen Versandstücks mit gleichzeitiger Codierung des KEP-Unternehmens, den sogenannten Serial Shipping Container Code. Wie zukunftssicher ist dieser Standard?

Enorm. Sehen Sie, die GS-1 Standardisierung basiert auf ISO-Normen und sind als offener Standard organisiert. Daher kann kein einzelnes Unternehmen oder Interessenvertretung die Entscheidung über die „Mitgliedschaft“ ausüben. Da keine Diskirminierung vorliegt, können quasi alle Interessenten mitmachen. Viel Triebkraft kommt dabei aus dem Handel – denn die schon angesprochenen GTIN werden durch die gleichen Vorgänge erzeugt, wie das SSCC. Im Logistikbereich nutzen schon viele Speditionen die GS-1 Codierung für die Labels an den Paletten. Daher erschien es uns und den anderen Partner des Pilotprojektes sinnvoll, die weltweite Akzeptanz und die sich daraus ergebende Synergie zu nutzen, um den KEP-Markt zu unterstützen.

Labelcodierung-Digitalisierung

Aber warum bringt ein solcher Standard nun gerade den KEP-Unternehmen etwas?

Das liegt in der Natur der einheitlichen Standards. Diese sind für KMU, also Klein- und mittelständische Unternehmen, grundsätzlich deutlich wichtiger als für globale Konzerne. Der Grund dafür ist, dass mittelständischen Unternehmen in der Regel die wirtschaftliche Potenz fehlt, um eigene Standards branchenübergreifend durchzusetzen.

Dabei sind die KMU aber auf den Aufbau und die Nutzung von Netzwerken Dritter angewiesen. Keiner kann in seiner Region oder in seinem Geschäftsfeld mehr allein nur mit sich arbeiten, Schnittstellen nach außen sind zwingend notwendig. Nur durch einen schnellen, einfachen und fehlerfreien Austausch von Sendungen und Informationen können KEP-Unternehmen mit Verbindungen zu Netzwerken auf Dauer erfolgreicher sein. Um diesen Austausch effizient und diskriminierungsfrei zu gestalten, ist es nötig offene Standards zu verwenden.

Wo liegen denn die angesprochenen Einsparungspotentiale genau?

Die Probleme durch die uneinheitlichen Standards haben vor allem im interprozessualen Ablauf enorme Einsparungschancen. Allein das aufwändige Relabeling durch die Depotmitarbeiter – Anfassen, Einscannen, ggfs. mit der Hand ins eigene Softwaresystem eintragen – würde entfallen. Der SSCC-Code würde beim zustellenden KEP einfach nur gelesen und der vielleicht notwendige, interne Barcode nur hinzugefügt, um die Ordnung und Verteilung auf die Zustellrouten zu gewährleisten. Natürlich sind dadurch auch unternehmensübergreifende Sendungsverfolgung oder die fehlerfreie Übertragung von Daten keine Zukunftsmusik mehr sondern Realität. Denn in der Planung und Umsetzung sind nicht nur der eigentlichen Standard sondern auch entsprechende Datenaustauschformate.

Die reibungslose Verknüpfung mit den Systemen der Versender spielt ebenfalls in diesem Bereich eine gewichtige Rolle. Große Plattformen haben beispielsweise eigene GS-1 Codierungen, die sich hervorragend auslesen und im eigenen System nutzen lassen – eine unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten, die sich hier bieten könnte.

Daher lautet das Motto unseres Pilotprojektes: „Offene Standards sind das (Über-)Lebenselixier der kleinen und mittelständischen KEP-Dienste!“

Abschließend die Frage – was muss getan werden, um eben einen solchen offenen KEP-Label-Standard zur eindeutigen Bestimmung der Sendung ins Leben zu rufen?

Nun – einige Schritte sind hier schon getan. Der GS-1 Standard an sich existiert schon seit Jahrzehnten – auch für die SSCC. Des Weiteren haben wir die Kompatibilität mit bestehenden großen Standardsystemen im Postbereich abgeklärt. Dazu wurde auf europäischer Ebene vom CEN in Kooperation mit der Weltpostverband ein Standard verabschiedet. Für neu enstehende Netzwerke wird in diesem Standard auch Labelaufbau vorgeschlagen. Etablierte Carrier können mit ihrem vorhandenen Standards weiterarbeiten, bringen jedoch an unterster Stelle die GS1 Sendungsnummer auf. So werden etablierte Postlabel nicht verdrängt und gleichzeitig entsteht Platz für Neues.

Ebenfalls verabschiedet ist das hinter der Codierung liegende Datenaustauschformat mit den entsprechenden Abläufen und Zugangsmöglichkeiten. Mit einer optimal statuierten Datenbank- und Datentransferstruktur könnten zusätzliche Informationen, wie etwa die hinterlegten Empfängerverfügungen oder Lieferzeitfenster für jeden autorisierten Nutzer zugänglich werden – ein enormer Schritt im Bereich Service.