Schöne Bescherung – der Gigaliner als Logistik-Zukunft

Politik & Post - Berlin

Das Luziafest steht normalerweise in Verbindung mit Erleuchtung und Nächstenliebe, im Streit um die Einführung der Gigaliner (oder auch Lang-Lkw) ist der 14.12. aber ein einschneidendes Datum, da das Bundesverkehrsministerium endlich den Abschlussbericht zur Zulassung der überlangen Lastwagen auf deutschen Autobahnen veröffentlicht hat. Seit Monaten fordern die Bundesländer genau diesen Bericht und das Ergebnis liest sich etwas ernüchternd.

Zwei Auslieferungs-Fahrten statt drei

Die positiven Effekte werden naturgemäß hervorgehoben. Nach der gesamten Feldstudie ersetzen zwei Gigaliner-Touren etwas mehr als drei herkömmliche Sattel-Auflieger. Klingt hervorragend, doch die Studie gibt auch vor, dass nur eine hohe Auslastung und eine optimal disponierte Volumen- und Stellplatzauslastung diese Potentiale ausreizen. Daran anschließend ergäben sich Verringerungen von Zeitaufwand, Kraftstoffeinsatz und Umweltemissionen von 15 bis 25 Prozent. Etwaige Verlagerungseffekte der Transportströme, etwa von der Schiene auf die Straße, sind zwar nicht abschätzbar, aber nach Meinung des Verkehrsministeriums zu vernachlässigen.

Gigaliner auf deutschen Straßen
(Quelle: wikipedia.org)

Bundesverkehrsminister: Risiken grundsätzlich überschaubar

Zweite Aussage des Abschlussberichtes: Während der Testphase wurden kaum negative Auswirkungen auf den Verkehrsfluss, die Verkehrssicherheit und die Belastung für die verkehrstechnische Infrastruktur (Fahrbahn, Brücken, Tunnel etc.) festgestellt. Und hier wird es sehr schwierig, sowohl für die Befürworter als auch für die Gegner des Giga-Liner-Konzeptes. Durch die technische Ausstattung mit zusätzlichen Achsen, Gewichtsverteilungen und zusätzlichen software-gestützten Hilfssystemen wird das Fahrverhalten der Lang-Lkw zwar als komplex aber beherrschbar angesehen.

Tunnel – Gefahrenstelle Nummer 1

Etwas kritischer scheinen dies selbst die Studienautoren zu sehen, denn sie verweisen darauf, dass die Brandgefahr in einem Tunnel durch das höhere Volumen des Anhängers eines Gigaliners größer ist. Zusätzliche Maßnahmen an den Tunneleinrichtungen könnten das bessern aber nicht beheben. Hinzu kommt, dass die Nothaltebuchten in deutschen Tunneln nicht ausreichend lang genug sind – das ist Potential für erhebliche Staus!

Baustellen – Gefahrenstelle Nummer 2

Der Feldversuch hat erst einmal keine Probleme bei Autobahnbaustellen, besonders bei Einfahrt in diese oder Befahrung derselben erbracht. Doch auch hier sind die derzeit vorgegebenen Maße der Nothaltebuchten und die Fahrbahnbreite für die Studienautoren ein Problem. Die geringere Einlenkfähigkeit der Giga-Liner muss eine Verbreiterung der Spuren bzw. eine Erweiterung des Kurvenradius im Baustellenbereich nach sich ziehen. Genauere Untersuchungen sollen hier noch folgen – eine klare Aussage sieht anders aus!

Fahrdynamik & Bremsweg – Gefahrenpotential noch unklar

Nicht zuletzt eben diese Fahrdynamik bereitet anscheinend einiges Kopfzerbrechen. Weder für die Erfordernisse bei unterschiedlichen Ladezuständen noch für Vorgaben an Bremsverhalten und Bremsweg gibt es valide Daten.

Ruhezeiten & Stellplätze – kein Randproblem der Logistik

Hinzu kommen die bisher nicht durchgeplanten Veränderungen bei den Stellplätzen auf Rastplätzen, Parkplätzen und Autohöfen. Zwar erkennt das Bundesverkehrsministerium hier Handlungsbedarf – es wird aber keinerlei Konzept mitgeliefert, wie dieser Problematik Abhilfe geschaffen werden soll. Dies birgt das Risiko der zusätzlichen psychologischen Belastung der Fahrer, wenn eben nur eine eng begrenzte Anzahl von Stellplätzen für die vorgeschriebenen Ruhezeiten vorrätig ist. Apropos psychologischer Einfluss – der Abschlussbericht weist eindeutig darauf hin, dass durch die Zulassung der Gigaliner zwar keine sonderlichen Beeinflussungen bei anderen Verkehrsteilnehmern durch die besondere Länge der Lastwagen gemessen wurde – ABER gleichzeitig wird auch festgestellt, dass viel zu wenig Daten vorliegen, um einen Einfluss auch nur annähernd sicher auszuschließen.

Quo vadis, Gigaliner?

Anders als die vehementen Gegner des Giga-Liner-Konzeptes sehen wir die eigentliche Intention einer besseren Nutzung des Straßengüterverkehrs als Chance. Ob wirklich eine erhebliche Verringerung der Fahrten herausspringt, ist zwar nicht erkennbar. Jedoch würden die großen Lastwagen bei entsprechender Logistikoptimierung die Kosten für die Transporte spürbar senken.

Allianz-pro-Schiene ähnlich polemisch wie Verkehrsminister Dobrindt

Naturgemäß ist die Allianz pro Schiene hier deutlich negativer: „Riesen-Lkw sind umweltschädlich, […] teuer […], gefährlich für die Autofahrer.“ Die Begründung für diese Thesen fallen dabei ähnlich dünn aus, wie der Ausschluss der Risiken durch das Bundesverkehrsministerium.

Verkehrs-Infrastruktur nicht stärker belastet

Interessanterweise sind die größten Bedenken, nämlich die extreme Beanspruchung der Verkehrsinfrastruktur, durch die Feldstudie praktisch ausgehebelt worden. Durch mehr Achsen und die Begrenzung auf die bisher zugelassenen 40 Tonnen verringern sich die Achslasten und dadurch die Belastung für den Straßengrund und -belag.

Zustimmung der Länder entscheidet

Wohin geht es nun also mit dem langen Lastwagen? Zwar plant das Bundesverkehrsministerium die Zulassung der Gigaliner für den Januar 2017, das hängt aber noch stark von der Mitarbeit der Länder ab. Thüringen, Sachsen, Berlin und das Saarland haben schon große Bedenken geäußert. Ein Aufschub scheint also wahrscheinlich – mal sehen was das neue Jahr bringt!