Briefporto erhöhen –Quasi-Monopolist DPAG will mehr!
Postmarkt - Bonn
Das Briefgeschäft darbt bei der Deutschen Post AG seit Jahren. Die Gründe dafür sind vielschichtig: einerseits fallen große Sendungsmengen zugunsten von online gestützten Mitteilungen weg, zum anderen verändert sich das Kommunikationsverhalten der Menschen deutlich – weg vom zeitlich versetzten hin zum synchronisierten Kommunizieren. Trotzdem oder gerade deshalb hat die DP AG ihre Vormachtstellung im Bereich Briefsendung behaupten können. Dies liegt naturgemäß auch daran, dass die Post die Grundversorgung der deutschen Bevölkerung sicherzustellen hat, wozu sie per Gesetz verpflichtet ist – Ausnahmen scheinen sich hier anzudeuten (Beitrag zur geringeren Zustellfrequenz). Diese Position lädt aber auch dazu ein, die Portokosten zu „entwickeln“ – in den vergangenen sieben Jahren hat die Deutsche Post AG 15 Cent auf das Porto für einen Standardbrief draufgeschlagen.
Brief-Versand darbt – Porto muss rauf?
Anscheinend reicht das aber noch nicht! Der Rückgang in der Briefsparte ist augenscheinlich und muss als Begründung herhalten – rund 100 Millionen Sendungen im zweiten Quartal 2017 weniger als im Vorjahr im gleichen Zeitraum. Was wären bessere Alternativen? Innovative Lösungen finden oder stärker ins hybride Geschäft intensivieren? Leider werden diese Möglichkeiten vom Quasi-Monopolisten nur sehr zaghaft bedient – viel simpler erscheint da eine Porto-Erhöhung. Aus Sicht der DP AG steht dem die Preisbindung bis Ende 2018 im Weg. Doch ein Hintertürchen ist offen, denn bei der Geschäftspost hat ja Rabattmöglichkeiten. Also sollen nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Unternehmen, Banken und Behörden im kommenden Jahr diese Rabatte um 2 Prozent eingekürzt werden. Das bedeutet eine indirekte Erhöhung um 2 bis 3 Cent.
Die Begründung ist (erwartet) lapidar. Bei rückläufigen Versandmengen müsse man die weiter steigenden Produktionskosten auffangen, erklärte ein Konzernsprecher gegenüber der FAZ. Logische Folge daraus wird die Erhöhung des Portos auch für die privaten Versender zum Beginn des Jahres 2019 sein. Wenn das keine schönen Aussichten sind!
Allgemeine Post-Konzernlage: Sonnig aber investionsbedürftig!
Nun stellt sich eine weitere Frage: Warum drängt der „Gelbe Riese“ so stark auf mehr Einnahmen? Eine Vermutung ist, dass die einzelnen neuen Sparten des Konzerns, wie etwa die Streetscouter-Produktion von E-Mobilen oder die Drohnen-Konstruktion als Zukunftsmärkte einen gewissen Innovationsschub benötigen. Da Geld bekanntlich (leider) nicht auf Bäumen wächst, nimmt die Post es von einer ohnehin vom Aussterben bedrohten Postsendungsform. Obwohl das Paketaufkommen stetig steigt, kann mit einer einfachen Porto-Erhöhung vieles abgefedert werden, beinahe ohne Mehraufwand.
Die Rechnung, natürlich stark vereinfacht:
- Im 2. Quartal 2017 wurden 1,84 Mrd. Briefsendungen zugestellt.
- 90 Prozent aller Briefe laufen als Geschäftspost (dh. 1,656 Mrd. Briefe)
- Indirekte Portoanhebung um 2 Prozent (dh. 2 Cent)
- Mehrumsatz: ca. 33 Mio. Euro (beispielhaft für 2. Quartal 2017)
Und diesen Mehreinnahmen stehen eigentlich kaum zusätzliche Kosten entgegen. Hinzu kommt, dass durch diverse Services, wie etwa den PRIO-Brief, der eine bevorzugte, schnellere und sendungsnachweiserbringende Briefzustellung mit Tracking-Informationen garantieren soll, noch Einnahmen generiert werden könnten pro Briefsendung.
Lobbyarbeit der Post: Wir sind zu billig für Europa!
Die Marketingabteilung der Deutschen Post AG arbeitet nun schon seit einiger Zeit händeringend am Verständnis in Politik und Gesellschaft, dass die 70ct einem Dumping-Preis entspricht. Mit einer eigenen Studie, die jedes Jahr praktisch zum gleichen Ergebnis kommt, wird klargestellt, dass Deutschland zwar die führende Industrie-Nation Europas, beim Briefporto aber noch Entwicklungsland ist. Der EU-Durchschnitt liegt bei 88ct und, so die Studie, würden Inflation, Arbeitsproduktivität und Kaufkraft einberechnet, stünde dieser Mittelwert jenseits der 1,10 €. Die „arme“ Post verdient also viel zu wenig. Würde vom bisherigen Briefaufkommen des zweiten Quartals 2017 ausgegangen werden und eine „Anpassung“ des Portos an den errechneten 1,10 € Durchschnitt erfolgen, läge der Mehrumsatz bei 735 Millionen Euro – und das in nur einem Quartal!
Treibt die Deutsche Post oder schwimmt die private Post mit?
Klingt diese Betrachtung nach Panikmache? Nicht unbedingt, denn es nimmt die sich aufbauende Argumentationssammlung der Deutschen Post AG einfach mal ernst. Mit der neuen Bundesregierung werden Portopreisverhandlungen in den kommenden Jahren öfter anstehen, da helfen hübsch aufbereitete Zahlen und das Gespenst von unterdurchschnittlichen Werten im Europavergleich gut und gerne weiter. Die Verbraucher und auch die Unternehmen werden froh sein können, wenn die Steigerung bei nur 2 bis 3 Prozent bliebe – argumentativen Spielraum für mehr als 30 Prozent hat sich der Konzern schon geschaffen.
Bliebe noch eine letzte Frage: Was bedeutet das für die private Post? Nun aus meiner Sicht erstmal eine gewisse Entspannung – erhöht die Post ihr Porto, ist die Argumentation für eine eigene Anpassung der Preise eher einfacher denn schwieriger. Hinzu kommen die Leistungen, die im Briefsektor add-on angeboten werden. Mit einer eigenständigen, unternehmensinternen Digitalstrategie können die privaten Briefdienstleister hier durchaus mithalten, wenn nicht sogar dank der viel schlankeren Strukturen führen! Die notwendigen Handlungsempfehlungen bleiben daher für die private Post jenseits der Big-Player immer die Gleichen: Digitale Hausaufgaben machen, individuelle Kundenbeziehungen zu den eigenen B2B-Großkunden pflegen und durch digitale Angebote verbessern sowie die Zusammenarbeit innerhalb der Netzwerke stärken. Dann würde das Stück vom kleiner werdenden Briefkuchen sogar größer werden können!