B2B buys directly – Chance für die Postlogistik

Die Industrie wandelt derzeit ihre Einkaufsmodalitäten. Noch vor zwei Jahren wurde über die Hälfte der Bestellungen im B2B-Bereich über den persönlichen Berater abgehandelt. Wie UPS, Logistikriese aus den USA, in einer Studie jetzt herausgefunden hat, ist diese Zahl deutlich geschrumpft auf mittlerweile nur noch 43 Prozent. Und gleichzeitig wurde die Führungsrolle des persönlichen Vertriebsmitarbeiters beim Industrie-Einkauf durch den Onlinekanal übernommen. In Deutschland werden schon 44 Prozent der Bestellungen online abgewickelt. Ein entscheidender Punkt für diesen Erfolg ist die hohe Liefergeschwindigkeit bei Shops und E-Commerce-Plattformen, die Lieferzeit innerhalb eines Tages Wirklichkeit werden lassen.

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Hinzu kommt, dass die deutsche Industrie immer seltener von Zwischenhändlern kauft. Im laufenden Jahr schätzt UPS, dass rund 91 Prozent aller Materialen direkt vom jeweiligen Hersteller erworben werden. Damit ergeben sich neue Ansprüche an die zukünftige E-Commerce- und Logistik-Welt.

  • Ausbau der onlinegestützten Angebot auf Seiten der Hersteller
  • Integration von (Post)Logistikanbietern in Onlineshop-Ablauf
  • Direkte Datenverarbeitung bei Bestellabschluss durch Postlogistik
  • Einheitliche Codierung (Nutzung des GS-1-Standards) für übergreifende Labelnutzung

Gerade die Integration und Interaktionsfähigkeit der Postlogistiker kann in Zukunft ein erheblicher Faktor für den Erfolg am Markt sein. Dafür sind neben der Datenverarbeitung auf einem einheitlichen und komplett digitalisierten Niveau vor allem einheitliche Branchenstandards dringend erforderlich. Bisher kocht so gut wie jedes private Postunternehmen jenseits der Big Player sein eigenes „Label- und Standard-Süppchen“ – dabei muss ein durchgängiger Standard eigentlich absolute Priorität haben.

Vorteile einer Standardisierung im (privaten) Post-Label

Naturgemäß stellt sich erstmal die Frage nach dem Warum? Relativ simple Antwort: Es spart Kosten! Derzeit sind bei Übergabe zum oder Übernahme vom jeweiligen Carrier Relabel-Arbeiten normales Tagesgeschäft. Die Postsendung wird mühsam in das eigene System und die eigenen Datenformate gehoben – eine aufwändige und fehlerproduzierende Maßnahme.

Ein weiterer Vorteil eines ganzheitlich gedachten Label-Standards nach einem der großen Code-Systemen (GS-1 oder ASC MH-10) spielt ebenfalls im Bereich Übergabe aber auf einem anderen Sektor – Stichwort: Internationaler Postverkehr. Werden zum Basis-Labeln Codes verwendet, die auch bei einem russischen oder amerikanischen Postdienstleister gelesen werden können, gäbe es zeitliche und auch kostentechnische Einsparungen, die das Leistungsvermögen der privaten Postunternehmen in diesem Bereich um ein Vielfaches ansteigen ließen.

Weiterer Zukunftsvorteil: Die Industrie setzt ebenfalls vermehrt auf einheitliche Produkt-ID-Labels. Deren Komposition basiert zumeist auf den oben genannten bekannten und verbreiteten Code-Standards. Daher ließen sich Vernetzungen mit Herstellern und dem Handel knüpfen, die deutlich weniger Kommunikations- und Bearbeitungsaufwand aufwiesen, jedoch schneller und fehlerfrei funktionieren würden.

GS-1 oder ASC MH-10 – zwei vom gleichen Schlage?

Erst einmal die Gemeinsamkeit – bei beiden Ansätzen handelt es sich um Standards, die einem einzelnen Produkt oder einem bestimmten Kunden eines Unternehmens eine eindeutige Kennung zuweist. In der ISO/IEC 15418 werden dafür die Grundlagen gesetzt. Entwicklungstechnisch werden GS-1 Application Identifier (AI) von der Konsumgüterindustrie bevorzugt, während die ASC MH10 Data Identifier (DI) eher in der Elektronik-, Automobil-, Metallproduktion und –verarbeitung genutzt werden. Dabei ist die DI-Lösung der ältere Ansatz - GS-1 zieht in Deutschland erst an, in Nordamerika und Großbritannien ist dieser Standard aber schon länger in Verwendung.

Die unterschiedliche Ausrichtung begründet sich durch den allgemeinen Aufbau und die differente Zielrichtung der codierten Kennzahlen. Beim DI werden produktionsimmanente Abläufe und Informationen weitergeben. Bei der Verwendung des AI geht es vielmehr um die Weitergabe eines Produktes nach außen, so dass interne Produktinformationen nicht zwingend enthalten sein müssen, sondern logistikimmanente Daten die Lieferung möglichst exakt kennzeichnen.

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Post als Logistiker ein Fall für GS-1

Daher ist es kaum verwunderlich, dass es durchaus ernsthafte Bestrebungen innerhalb der privaten Post gibt, den GS-1-Code-Standard für ein einheitliches Label zu verwandeln. Durch die regionale und lokale Begrenztheit ergeben sich natürliche Barrieren zwischen den einzelnen Anbietern. Mit der mittlerweile durchaus weitläufigen Einführung von hybriLOG®, eines kommunikativen Life-Cycle-Managementsystems für Paketsendungen und Einschreiben, erweitern sich jedoch die Möglichkeiten.

Das System ist nicht nur offen für einen einheitlichen Standard, sondern könnte die oben geschilderten Vorteile zeitnah umsetzen und einen enormen Aufwärtsentwicklung für die mittelständischen und kleineren Postunternehmen in Deutschland bewirken. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre die Entwicklung eines NVE-Codes. NVE steht für die eindeutige Versandeinheitsnummer (englisch SSCC – Serial Shipping Container Code). Dabei handelt es sich um den „Fingerabdruck“ der Sendung mit Zuordnung des übertragenden Postunternehmens.

Mittels Einbindung der größeren Anbieter in dieses System wäre bei weiterer Nutzung der individuellen Möglichkeiten und Eigenkreationen ein verlustfreier und fehlerarmer Daten- und Sendungsaustausch kein allzu ferner Wunschtraum mehr. Hinzu käme die vereinfachte Anbindung von digitalen Services, wie Anbindungen an B2B Großkunden, individuelle Software-Lösungen und übergreifende Sendungsverfolgung. Die Chance, die Big Player der Postbranche zu pieken, würde deutlich größer und die dabei verwendete Klinge deutlich schärfer und spitzer. In diesem Sinne – Ein Standard für den Fortschritt!